Prozessorientierte Komaarbeit nach Mindell

(Prozessorientierte Komaarbeit)

Eine Methode/Therapie aus der Kategorie Psychologie, Verhalten, Gespräch


Prozessorientierte Komaarbeit ist eine Methode zur Kontaktaufnahme, Begleitung und Kommunikation von Menschen im Koma, Wachkoma, minimalem Bewusstseinszustand und anderen zurückgezogenen Zuständen. Sie ist eine Erweiterung der von Arnold Mindell in den siebziger Jahren entwickelten Prozessorientierten Psychologie, kurz auch Prozessarbeit genannt.

Annahmen der prozessorientierten Komaarbeit

Nach Arnold Mindell (1989) und seiner Frau Amy Mindell (2000) befinden sich Menschen im Koma - auch unter künstlicher Beatmung und Sedierung - nicht in einem Zustand ohne Wahrnehmung oder Bewusstsein, sondern in einem mitunter stark veränderten Bewusstseinszustand. Ihr Potential für Bewusstheit und der Hörsinn existieren, solange wie das Herz noch schlägt. Menschen im Koma werden nicht nur als körperlich krank und hilfebedürftig angesehen, sondern gehen - wie die Arbeit mit Komapatienten immer wieder zeigt - auch durch für ihr Leben wichtige Erfahrungen und Prozesse hindurch, die nach größerer Bewusstheit und Vollendung streben. Selbst in solch zurückgezogenen und veränderten Bewusstseinszuständen können Menschen, wenn auch teils minimal, ihre Sinne gebrauchen, um sich selbst und ihre Umwelt wahrzunehmen. Jegliche noch so minimale, vermeintlich zufällig auftauchende Signale des Patienten, seien es kleinste Bewegungen, Muskelreaktionen, Atemgeräusche oder Veränderungen der Hautfarbe, werden als potentiell bedeutsam und als möglicher Ausdruck einer nach Bewusstsein strebenden Erfahrung gesehen. Diese Signale können zur Kontaktaufnahme, Begleitung und Kommunikation genutzt werden. Da Bewusstseinsprozesse oft in enger Verbindung zu körperlichen Prozessen stehen, kann prozess-orientierte Komaarbeit auch zur Rehabilitation beitragen.

Menschen im Koma bedürfen neben der grundlegenden medizinischen und pflegerischen Versorgung auch eine menschliche, psychologische oder auch spirituelle Unterstützung und Begleitung.

Ziele der prozessorientierten Komaarbeit

Prozessorientierte Komaarbeit zielt nicht in erster Linie darauf, Menschen aus dem Koma zu erwecken, wenngleich dies manchmal geschieht, sondern vorrangig sie zu ermutigen, ihren eigenen Erfahrungen zu vertrauen, sie in der Wahrnehmung ihrer selbst und der Umwelt zu unterstützen. Es geht darum, Kontakt herzustellen, Kommunikation aufzubauen und dadurch intensive Begleitung zu ermöglichen. Es gilt die Teilhabe der Patenten am sozialen Miteinander zu fördern und sie auch soweit möglich in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Grundlagen der prozessorientierten Komaarbeit

Für die Umsetzung der beschriebene Ziele verfügt Prozess-orientierte Psychologie im Allgemeinen und Komaarbeit im Speziellen über eine ausgereifte Theorie, erste Studien (Ammann, 2011) sowie einen großen Schatz an Methoden und in ihnen zum Ausdruck gebrachten Haltungen und Meta-Skills (Fühlqualitäten).

Methoden der Prozessorientierten Komaarbeit nach Mindell

Es existieren einerseits leicht erlernbare Methoden, die unmittelbar von Familienangehörigen und Freunden geübt und angewendet werden können, und andererseits komplexere, die von ausgebildeten Begleitern umgesetzt werden. Generell geht es darum, sich radikal auf den Menschen im Koma zu beziehen, in dem man sich auf den Weg zu ihm macht, seinen Signalen folgt und bemüht, sich auf seine Bewusstseinsebene und Atmosphäre einzustimmen.

Eines der wichtigsten Konzepte der angewendeten Methoden beruht auf Verstärkung1 von Signalen. Eine erste allgemeine Form der Verstärkung besteht darin, dass selbst die kleinsten Signale als Träger von Information des Patienten vom Therapeuten achtsam wahrgenommen und willkommen geheißen werden. Sie werden aufgegriffen und dem Patienten verbal bestärkend rückgemeldet. Weiterhin kann es hilfreich sein, die Atmosphäre oder die in der Begegnung wahrgenommene Qualität in Worte, Bilder oder Töne zum Ausdruck zu bringen und auf die Weise zu verstärken. Die wiederholte Unterstützung und Ermutigung, den Erfahrungen im Koma zu trauen und zu folgen, sind wesentlich. Spezifischere Ansätze in frühen Phasen können z. B. das Einstimmen auf und das Sprechen im Atemrhythmus oder das Verstärken von Körpersignalen oder bewegungen durch sanftes Berühren, Mitbewegen oder auch leichten Widerstand sein. In fortgeschritteneren Entwicklungen kann u. U. auch eine beidseitige Kommunikation2 aufgebaut werden.

Die Begleitung und die Verstärkung von Signalen folgen dabei sehr präzise dem vom Therapeuten wahrgenommenen Feedback des Patienten.

Haltungen

Mindestens ebenso wichtig wie die skizzierten Methoden sind die in ihnen verwirklichten und zum Ausdruck gebrachten Haltungen gegenüber dem Menschen im Koma. Gerade in solch veränderten Bewusstseinszuständen bedarf es mehr als sonst einer liebvoll achtsamen und wertschätzenden Haltung, die alle Bewusstseinszustände, Wirklichkeitsebenen und Lebensformen als gleich bedeutsam anerkennt. Sie nimmt somit den Menschen in seinem bloßen Sein an, unabhängig davon, wie sich dies äußert.

Meta-Skills (Fühlqualitäten) wie z. B. Feinfühligkeit, Neugier, Offenheit und Willkommen heißen von Erfahrungen, Mitgefühl und Liebe verleihen den angewendeten Methoden eine besondere Wirkung.

Fazit

Prozess-orientierte Komaarbeit nach Mindell ist nicht nur in Prozessen wie Koma, Wachkoma und minimalen Bewusstseinszuständen, sondern auch in anderen non-verbalen und veränderten Bewusstseinszuständen wie in Formen der Demenz, Delirium, Autismus oder in Sterbeprozessen hilfreich. Sie kann dazu beitragen, häufig empfundene Gefühle wie z. B. der Isolation oder Hilflosigkeit seitens Patienten, Angehörigen oder Pflegenden erheblich zu vermindern und einer sich vertiefenden Begegnung Raum zu geben.

Weitere ausführliche Informationen finden sie auf der Internetseite www.PeterAmmann.de.

  1. Verstärkung oder Amplifikation (von Signalen): Ursprünglich eine von C. G. Jung entwickelte Methode zur Erweiterung des Trauminhaltes durch Anreicherung und Ergänzung der Traumbilder. Später von Mindell auch auf andere Erfahrungen oder Wahrnehmungen wie z. B. Körpersymptome oder eine Bewegungen erweiterte Methode, um deren Bedeutung zu erhellen.
  2. gemeint ist eine binäre Kommunikation: Kommunikation, in der Nachrichten durch Sequenzen von genau zwei verschiedenen Zeichen (z. B. 1/0 oder ja/nein) dargestellt werden können. Im Zusammenhang mit Komaarbeit bedeutet, dass der Therapeut dem Komatösen fragen stellt und dieser mit vorher vereinbarten Ja-/Nein-Antworten reagiert, in dem er z. B. den kleinen Finger hebt bei „ja“ oder nicht bewegt bei „nein“

Letzte Änderung: 21.06.2017

Autor/in und inhaltlich verantwortlich

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Mindell, Arnold (1989). Schlüssel zum Erwachen : Sterbeerlebnisse und Beistand im Koma. Olten; Freiburg im Breisgau: Walter

Mindell, Arnold (1993). Traumkörper-Arbeit oder: der Lauf des Flusses. Paderborn: Junfermann

Mindell, Amy (2000). Koma - Ein Weg der Liebe. Ratgeber für Familie, Freunde und Helfer. Petersberg: Verlag Via Nova

Ammann, Peter. Reaching out to Comatose People: are Contact and Communication Possible? In Vorbereitung, voraussichtlich März 2011. Norderstedt: Book-on-demand.

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